Ob Emissionen verringern durch angepasste Ampelschaltung oder frühzeitige Warnung von Bürger*innen im Fall von Umweltkatastrophen: Digitalisierung bietet Städten und Regionen durch selbstbestimmte und strategische Nutzung urbaner Daten fast unendliche kreative Möglichkeiten der nachhaltigen Stadtgestaltung. Theoretisch. Wären da nicht die alten Hürden, wenn es um souveränen und sicheren Datenaustausch geht. Insbesondere zwischen Ämtern, kommunalen Betrieben und Dienstleistenden ist der Datenaustausch meist stark eingeschränkt und erfolgt oft spontan wie unorganisiert. Ein neuer Ansatz liefert bald ein Instrument zum einfachen Datenteilen für städtische Akteur*innen: der Datenraum.
„Gerade die Verwaltung hat Bedenken, Daten für stadtgestalterische Projekte mit anderen Organisationen zu teilen. Schließlich handelt es sich oft um sensible Informationen, mit denen die falschen Hände einiges anstellen können. Und das steht an vielen Stellen nachhaltiger Innovation im Weg“, sagt Alanus von Radecki, CEO bei DKSR. Denn für die volle Nutzung des Potenzials von Daten ist der Transfer über Organisationsgrenzen hinweg oft sinnvoll und notwendig – beispielsweise, wenn eine Kommune schnell Sensordaten aus Fahrzeugen für eine lokale Starkregenwarnung über die städtische App verwenden will. Möchte die Autofirma die gewünschten Daten teilen, muss sie garantieren können, dass keine Informationen nach Bereitstellung in die falschen Hände gelangen. Und vielleicht möchte die Firma im Gegenzug von der Stadt wissen, wie viele Bürger*innen den Service über die städtische App auch nutzen– wofür die öffentliche Hand ihrerseits sicher Daten bereitstellen muss. Gleichzeitig will jede der Parteien den Überblick darüber behalten, wer was mit den eigens bereitgestellten Daten macht.
Die Lösung Datenraum als Antwort auf diese Herausforderungen war bislang mehr Theorie als Praxis. DKSR möchte diese jetzt umsetzen. Aber: Was sollen wir unter einem Datenraum überhaupt verstehen?
Für mehr nachhaltige Innovation: Vorwärts in den Data Space
Data Space: Klingt für nicht ganz betriebsblinde Smart City-Akteur*innen erstmal ziemlich abgespacet. Das gutdeutsch übersetzte „Datenräume“ macht’s auch nicht besser – und Definitionen wie vom Experten Boris Otto des Fraunhofer ISST, wirken in ihrer Wissenschaftlichkeit für den Nicht-Boris Otto-Normalbürger sehr abstrakt.
Das Wichtigste im Versuch einer greifbaren Zusammenfassung:
- Datenräume sind technologische Architekturen, über die Daten aus verschiedenen Quellen nicht miteinander verschmolzen werden – sondern trotz Bereitstellung durch verschiedene Organisationen in einem Raum bei ihrer Quelle belassen. Eine feste Zielstruktur gibt es dabei nicht.
- Dies gelingt, indem nur Metadaten (also Informationen über die Daten) geteilt werden, wo die Daten selbst hinter einer Nutzungsbeschränkung liegen.
- Durch eine einheitliche Struktur und einheitliche Begriffe schafft der Datenraum ein einheitliches Verständnis der Daten bei allen beteiligten Systemen.
- Datenräume sind in sich verschachtelt und können überlappen. Dort vorliegende Daten können daher auch doppelt und dreifach existieren.
Datenräume verfügen zudem in der Regel über Authentifikationsmöglichkeiten, um beteiligte Parteien zu identifizieren – und so für alle einen Vertrauensanker zu liefern, mit wem man es wirklich zu tun hat.
Noch Konzept oder schon erprobt?
Voran treibt den Einsatz von Datenräumen die Initiative „International Data Spaces“ (IDS) auf Grundlage eines sogenannten Referenzarchitekturmodells, einer Art idealem Modellmuster für zukünftig zu bauende Datenraum-Architekturen, das zwölf Institute der Fraunhofer Gesellschaft gemeinsam entwickelt haben. Auf diesem baut auch der Mobility Data Space auf, der seit Januar 2022 einen Datenraum als Austauschort für ungefähr 200 Mobilitätsunternehmen bietet.
In der Wirtschaft sind Datenräume mit Schwerpunkt Mobilität also bereits Realität. Heißt: Man kann sie zwar nicht direkt anfassen – aber das erleben, wofür sie genutzt werden. Der Nutzen davon wird beispielsweise an Mobilitäts-Apps erkennbar, die so Daten wie von E-Scootern, Leihautos und Taxis beziehen, miteinander verbinden und für Nutzende aufbereiten und darstellen können, um die Fortbewegung in einer Stadt oder Region möglichst schnell und bequem zu machen.
Knackpunkt für die intelligente Stadtgestaltung: Das Ganze gibt’s bislang nur ausgelegt für Industrie und den Austausch zwischen Unternehmen. Was einfach nutzbare Datenräume für die öffentliche Hand mit Fokus auf verschiedenen Bereichen und bloßer Schnittstelle zur Privatwirtschaft angeht, herrscht momentan Fehlanzeige: Wo werden Daten aus Gesundheit, Umwelt und weiteren Bereichen für eine bessere Daseinsvorsorge in den Kommunen verknüpft? Gleichzeitig gibt es bislang keinen Raum, der es den Kommunalen ermöglicht, auch auf lokaler Ebene geschützt Datenaustausch zu betreiben und die Sicherheit schafft, dass wertvolle personenbezogene Informationseinheiten nicht direkt monetarisiert und wirtschaftlich verwertet werden. Gerade solche Datenräume bräuchte es aber paradoxerweise für die flächendeckende Nutzbarmachung von Daten verschiedenster Organisationen: Damit alle an einem Strang ziehen können, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen und nachhaltig smarte Lebensräume für Bürger*innen zu schaffen.
Sichere Nutzung der ganzen Datenpalette
Und hier kommt die Partnerschaft zwischen Projekt piveau des Fraunhofer FOKUS und DKSR mit seiner Offenen Urbanen Datenplattform ins Spiel. Das Datenmanagement-Ökosystem piveau bietet unter anderem ein Open Source-Datenportal, das der Verwaltung zum Management von Daten bereitsteht. „Datenportale dienen ähnlich wie Datenplattformen dem Zweck, Daten nutzbar zu machen. Anders als bei der DKSR-Plattform stehen hierbei eher Nicht-Echtzeitdaten im Vordergrund – das können verschiedenste statische Daten zu Investitionen, Bauvorhaben, Wasser, Abfall und vielem mehr sein“, erklärt Jens Klessmann, Leiter der zuständigen Abteilung bei Fraunhofer FOKUS. „Bürger*innen erhalten über die Portale auf maximal transparente Weise Zugriff auf wichtige Informationen ihrer Stadt oder Kommune“. Zu den Kund*innen von piveau gehört unter anderem die Europäische Union. Diese verwaltet Daten mit Unterstützung der Technologie über das offizielle europäische Datenportal.
Mit der Partnerschaft mit piveau wird der Ansatz der Datenplattform von DKSR jetzt um eine wesentliche Komponente erweitert: Wo die DKSR-Plattform bislang „nur“ Echtzeitdaten verarbeitet hat, können Städte und Regionen nun zusätzlich den gesamten Raum Nicht-Echtzeitdaten für die kommunale Verarbeitung erschließen.
„Praktisch bedeutet das einen viel größeren Spielraum für Analysen und deutlich mehr Möglichkeiten für konkrete Anwendungsfälle“, so Datennutzungs-Experte Klessmann. „Beispielsweise, wenn statische Daten zur Lokalität von Bäumen, sogenannte Baumkataster, mit echtzeitnahen Wetter- und Sensordaten verknüpft werden, um Bewässerungssysteme über Apps oder effizientere Routen von Bewässerungsfahrzeugen zu optimieren”.
Nächster Halt: Datenraum für souveräne Smart Cities
Und was hat die Partnerschaft mit Datenräumen zu tun? Einfach erklärt: Die Kombination aus Datenportal und -plattform bietet noch mehr Möglichkeiten – sie wird zum Instrument für das Management urbaner Datenräume. So werden die Architekturen beider Plattformen nach Verknüpfung über ein Modul um ein umfangreiches Rollen- und Rechtekonzept ergänzt. Auf dessen Basis können Daten zwischen Stadt, Verwaltung, kommunalen Betrieben und Dienstleistenden gemeinsam verarbeitet werden: selbstbestimmt, nachverfolgbar und ohne, dass Daten in die falschen Hände kommen. „Wir liefern damit einen einfachen und rechtssicheren Rahmen für eine ganz neue Innovationsfähigkeit kommunaler Akteur*innen. Und nebenbei können wir Kommunen dabei unterstützen, entsprechend dem Datennutzungsgesetz möglichst viele Daten öffentlich bereitzustellen“, meint von Radecki, der sich sichtlich über die Zusammenarbeit freut. „Die nächste Entwicklungsphase des Vorhabens startet bald – und wir sind voller Tatendrang!“
Alle Vorteile des Datenportals piveau sind bereits jetzt über DKSR nutzbar – Informationen zum Angebot finden Sie hier. Bei Fragen melden Sie sich jederzeit gerne!