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Kommunale Resilienz stärken mithilfe Urbaner Digitaler Zwillinge – Anwendungsbeispiele aus TwinBy

Der Urbane Digitale Zwilling der Stadt Schwabach zeigt u.a. die lokale Hitzenentwicklung. © Stadt Schwabach

In diesem Blogartikel beschäftigen wir uns mit der Frage, wie Urbane Digitale Zwillinge Kommunen dabei unterstützen können, sich zukunfts- und krisensicher, sprich resilienter, aufzustellen. Dafür schauen wir uns mehrere Anwendungsfälle an, die im Rahmen des „TwinBy- Digitale Zwillinge für Bayern“-Projektes innerhalb letzten Jahres erfolgreich umgesetzt und implementiert wurden und beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema: Was sind Urbane Digitale Zwillinge ? (UDZ) Welche Wirkmächtigkeit können diese für Kommunen haben? Und welche Mehrwerte konnten die Kommunen durch den Einsatz solcher digitaler Werkzeuge generieren? 

Ob kleine, mittlere oder große Kommunen: Sie alle stehen vor diversen sozialen, politischen und ökologischen Herausforderungen, die es in den kommenden Jahren zu bewältigen gilt. Hinzu kommt eine angespannte finanzielle Lage, der Fachkräftemangel und die nur sehr schleppend voranschreitende Digitalisierung. Die Einführung und Nutzung von UDZ erscheint vielen Kommunen daher zunächst wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch inwiefern erweisen sich UDZ stattdessen als heißes Eisen, die bei der Bewältigung der genannten Herausforderungen helfen können?  

 

Was genau ist ein eigentlich „Urbaner Digitaler Zwilling“? 

 

UDZ sind virtuelle Darstellungen von städtischen Umgebungen, die reale physische Strukturen (z.B. Straßen oder Gebäude) und Prozesse (z.B. Verkehrsflüsse oder Ver- und Entsorgungsprozesse) in einer digitalen Plattform widerspiegeln und Informationen zwischen den physischen Strukturen (z.B. Gebäudeinformationen) und der virtuellen Darstellung in regelmäßigen, möglichst kurzfristigen Intervallen austauschen (Vgl. VanDerHorn and Mahadevan, 2021).  Basierend auf statischen und dynamischen Daten werden automatisiert Simulationen und Analysen erzeugt, um einerseits den Ist-Zustand der physischen Umgebung möglichst präzise darzustellen und andererseits mögliche Zukunftsszenarien zu modellieren. Durch die Integration diverser städtischer, oftmals geobasierter Daten können UDZ eine große Bandbreite an Informationen bündeln und diese für Entscheider*innen und Bürger*innen virtuell abbilden.   

Soweit die Theorie – oftmals fehlt es den Kommunen jedoch neben durchwegs klammen finanziellen und personellen Ressourcen schlicht am nötigen fachlichen Know-How sowie an überzeugenden Anwendungsfällen aus der Praxis, welche eine Implementierung nach Innen und Außen rechtfertigen können. Vor diesem Hintergrund hat das Bayerische Staatsministerium für Digitales Anfang 2023 ein Förderprojekt ins Leben gerufen mit dem Ziel, bayerische Kommunen beim Wissensaufbau und bei der Umsetzung eigener UDZ zu unterstützen. Das Projekt „TwinBy – Digitale Zwillinge für Bayern“ startete im April 2023 mit insgesamt 18 Fördervorhaben, darunter sowohl kleine und mittlere Kommunen (z.B. Markt Weisendorf, Pressath und Haar) als auch mehrere Verbünde (z.B. der NordAllianz, dem Landkreis Kulmbach oder den zwei Gemeinden Deggendorf und Plattling). Geleitet wurde das Projekt vom Bayerischen Innovationsunternehmen „Bayern Innovativ“. Für den Wissensaufbau der Fördernehmenden waren die Unternehmen Virtual City Systems, CADFEM und CreativeClimateCities verantwortlich, die gemeinsam ein fachlich vertieftes Qualifizierungsprogramm rund um das Thema „urbane digitale Zwillinge“ erstellten. Die technische Expertise sowie die in einigen Fällen Kerntechnologien zur Umsetzung der jeweiligen UDZ brachten die Unternehmen DKSR, ui! und aconium mit – basierend weitestgehend auf Open Source. Das Projekt stellte Technologie-Offenheit in den Vordergrund, die Kommunen konnten je nach individuellen Rahmenbedingungen mit ihren Bestandssystemen sowie einem Mix aus Lösungen der Konsortiumsteilnehmer*innen und / oder Dritter arbeiten. Binnen eines Jahres wurden – mit einem durchschnittlichen Budget von ca. 50.000 Euro pro Fördervorhaben – diverse lokale Herausforderungen identifiziert, zahlreiche Anwendungsfälle entwickelt (bspw. in den Bereichen Umwelt, Energie, Mobilität, Stadt- bzw. Bauplanung, Gesundheit und Kultur) und 17 Digitale Zwillinge umgesetzt.  

Eine zentrale Erkenntnis? UDZ können auf verschiedene Weise konstruiert werden, abhängig vom Anwendungsfall, den verfügbaren Technologien und den Bedürfnissen der Nutzer*innen. Beispielsweise sind 3D-Visualisierungen eine geläufige Komponente solcher Zwillinge, ermöglicht durch die Einbindung dreidimensionaler Modelle von Gebäuden, oder der lokalen Topographie in die Datengrundlage. 3D-Visualisierungen können in spezialisierten Softwareanwendungen oder Browser-basierten Tools dargestellt werden, bspw. mithilfe des Open Source Tools „Masterportal“ und ermöglichen etwa im Kontext von Starkwetterszenarien besonders präzise Gefahrenprognosen. 

 

Welche Anwendungsfälle wurden im Rahmen von TwinBy umgesetzt? 

 

Eine Kommune, die diese Form der 3D-Visualisierung gewählt hat, ist die Stadt Schwabach. Sie hat einen Anwendungsfall zur Hitzeresilienz und zum Katastrophenschutz entwickelt, in welchem Planungs- und Sensordaten (z.B. Echtzeitdaten von Hitze-Sensoren, Daten von Wasserstationen sowie Auswertungsdaten ihres verabschiedeten Klimakonzeptes) in ihren Zwilling integriert werden. Darin werden auftretende Hitzeinseln, also Orte, an denen sich Hitze in der Stadt besonders staut, identifiziert und sichtbar gemacht. Darüber hinaus verfolgte die Kommune mit der Umsetzung ihres UDZ das Ziel, potenzielle Hochwasserflächen zu visualisieren und einen Evakuierungsplan zu entwickeln, um im Katastrophenfall schnell reagieren zu können. Zur Aggregation und Visualisierung der (Echtzeit-)Daten nutzte die Kommune sowohl die urbane Datenplattform von DKSR (OUP) als auch eine 3D-Softwareanwendung (Masterportal). Mithilfe des UDZ ist es Schwabach gelungen, einerseits ein besseres Verständnis über lokale Hitzeinseln zu erlangen und Maßnahmen zur Klimaanpassung wie bspw. durch Begrünungen, zielgerichteter zu planen. Andererseits wird durch den umgesetzten Anwendungsfall Transparenz für Bürger*innen geschaffen, die sich über aktuelle Temperaturentwicklungen, kühle Flächen im Stadtgebiet und verfügbare Wasserquellen informieren können. 

Alternativ oder ergänzend zu 3D-Visualisierungen können UDZ auch in Form von interaktiven Dashboards dargestellt werden. Diese dienen vornehmlich dazu, Echtzeitdaten zu visualisieren und direkt in Form von Analysen zu verarbeiten. Eine Kommune, die sich dieser Form der Darstellung im Rahmen des TwinBy-Projektes bediente, ist Feldkirchen. Die Kommune stand vor der Herausforderung, bislang nur wenig Kenntnisse über die eigenen Verbrauchswerte und Energiebilanzen kommunaler Liegenschaften zu besitzen. Daher wurde nach einer Lösung gesucht, die Verbrauchswerte und -bilanzen des Feldkirchener Rathauses sicht- sowie steuerbar zu machen. Aus diesem Grund wurden verschiedene Daten (darunter KNX-Daten, Stromverbrauchs-Daten sowie Raum- und Belegungspläne) gebündelt und in einem Grafana Dashboard visualisiert. In einer weiteren Ausbaustufe sollen die Daten analysiert und der Stromverbrauch im Rathaus intelligent gesteuert werden. Darüber hinaus sollen perspektivisch Live-Belegungsdaten über eine App abrufbar gemacht und dazu genutzt werden, die Raumnutzung des Gebäudes zu verbessern. Die Gebäudesteuerung unterstützt die Kommune nicht nur dabei, die Energiebilanz des Rathauses besser zu verstehen, sondern auch Entscheidungen für ein effizienteres Gebäudemanagement zu treffen. Darüber hinaus kann der Anwendungsfall auch den Klimaschutz und die CO2-Bilanz verbessern, indem er die Nutzung und das Potenzial erneuerbarer Energien optimiert und den Verbrauch reduziert. Dies ermöglicht der Gemeinde, nicht nur Kosten zu senken, sondern auch langfristig maximal effizient zu wirtschaften. 

Spannend ist auch der UDZ der Stadt Forchheim. Diese leidet innerorts seit Jahren unter hohem Verkehrsaufkommen. Das bedeutet, dass bestimmte Verkehrsachsen Flaschenhälse darstellen, die Stau, Lärm und unnötige Abgase produzieren. Der Anwendungsfall der Stadt konzentrierte sich daher auf die Auswertung und Analyse von Floating Car Daten. Mithilfe einer Verkehrsspinnen-sowie der Quell-Ziel-Analyse-Methode wurde auf Grundlage eines Python-Skriptes eine statische Analyse des Verkehrsverhaltens durchgeführt; die Ergebnisse wurden dann exportiert und in den UDZ integriert. Die Anbindung der Daten und die ganzheitliche Analyse der Verkehrsströme ermöglicht es der Kommune nun, bessere Entscheidungen im Bereich der kommunalen Verkehrsplanung zu treffen, das Verkehrsaufkommen an Flaschenhals-Positionen zu minimieren und Umwelt- sowie Lärmbelastungen zu reduzieren.  

 

Mehr Resilienz durch urbane digitale Zwillinge 

 

Diese Beispiele zeigen, dass UDZ dazu imstande sind, kommunale Herausforderungen binnen kurzer Zeit zu adressieren und langfristig einen sozialen, ökonomischen und ökologischen Nutzen für die Kommunen hervorzurufen. Anhand der drei vorgestellten Anwendungsfälle wird deutlich, dass kommunale Resilienz, sprich Widerstandsfähigkeit, vor allem durch die intelligente Nutzung, Auswertung und Visualisierung verschiedenster Datenquellen geschaffen werden kann. Urbane digitale Zwillinge sind mächtige Tools, die nicht nur die Realität, sondern auch die Zukunft greifbarer machen können. Wenn Kommunen aufzeigen können, wie es bspw. in den Bereichen Hitze, Hochwasser, Verkehrsaufkommen oder Energieverbrauch um sie bestellt ist, sind sie auch in der Lage, fundierte (und vor allem schnellere und dadurch kostengünstigere) Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die Stadtplanung, das Verkehrsmanagement oder den Umwelt- und Klimaschutz, sprich die Lebensqualität der Bürger*innen, auswirken. 

Für viele Kommunen bleibt die Finanzierung und die technische Umsetzung eines UDZs jedoch die Gretchenfrage. Da hilft nur: Interne Bestandssysteme sukzessive auszubauen, die Augen nach Förderprogrammen wie TwinBy offenzuhalten und von den Umsetzungserfahrungen und Erkenntnisse anderer Kommunen für eigene Projekte zu profitieren. Schon jetzt können Kommunen auf den Metadatenkatalog des TwinBy-Projektes zugreifen, in dem sämtliche Informationen zu den umgesetzten Anwendungsfällen zu finden sind. Die Umsetzung von 17 urbanen digitalen Zwillingen im Rahmen von TwinBy hat gezeigt: Wir befinden uns nicht am Ende, sondern am Anfang einer neuen Zwillings-Ära.  

Der im Artikel vorgestellte Digitale Zwilling aus Schwabach ist für den Bundespreis „Blauer Kompass“, die höchste staatliche Auszeichnung für Klimaanpassungsmaßnahmen, nominiert. Die Auszeichnung wird vom Bundesumweltministerium gemeinsam mit dem Umweltbundesamt zum Umgang mit Klimafolgen wie Hitze, Dürre und Starkregen vergeben. Noch bis zum 18.06 kann hier in der öffentlichen Abstimmung für den Community-Preis für die Stadt Schwabach abgestimmt werden.