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Energiewende im Quartier: Mit klimapositiven Vierteln 

Schwierige politische Abhängigkeiten, folgenreicher Klimawandel, sinkende Rohstoffverfügbarkeit – viele Faktoren drängen zu einem radikalen Wandel im Energiebereich, um Kosten, Ressourcenverbrauch und Emissionen zu senken. Der Energieverbrauch von Städten nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Ein Blick auf das Energiemanagement einzelner Gebäude reicht für nachhaltige Veränderung nicht aus: aktuelle Konzepte nehmen daher die Quartiersplanung in den Blick. Dazu gehören auch „Positive Energy Districts“: klimapositive Quartiere, die durch technologische Vernetzung zwischen Gebäuden, Nutzer*innen und regionalen Energie-, Mobilitäts- und IKT-Systemen einen jährlichen Netto-Null-Energieimport sowie null CO₂-Emissionen haben – und darüber hinaus sogar eine Überschussproduktion erneuerbarer Energien erreichen sollen. Dazu trägt auch die schlaue Nutzung urbaner Daten bei.  Aber wie soll das funktionieren? Gibt es schon Beispiele? 

Städte sind die schwarzen Schafe, wenn es um Energiekonsum geht: Sie sind für mehr als zwei Drittel des Energieverbrauchs und über 70 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Logisch – schließlich lebt hier auch der Großteil der menschlichen Bevölkerung. Wenn die Energiewende angegangen wird, dann effektiv also als erstes dort, wo viele aufeinander leben. Gleichzeitig kann eine langfristige Veränderung im Energiebereich nur von mehreren Seiten auf einmal bewirkt werden: Es müssen sowohl sozioökonomische, technologische, ökologische, politische, als auch institutionelle Faktoren miteinbezogen werden.  

Als Teil einer ganzheitlichen städtischen Strategie wurde deswegen das Konzept der Positive Energy Districts (klimapositive Quartiere, kurz PEDs) entwickelt. Hervorgegangen sind sie aus früheren Konzepten mit vergleichbarer Bedeutung: Dazu gehören (Netto-)Null-Energie-Gebäude, Fast-Null-Energie-Gebäude, Klimapositive Nachbarschaften und energieneutrale Stadtteile. Große Gemeinsamkeit dieser Konzepte ist das Ziel, dass ein Gebäude, eine Nachbarschaft oder ein ganzer Stadtteil seinen Energiebedarf aus kostengünstigen, lokal verfügbaren und umweltfreundlichen, erneuerbaren Quellen decken kann.  

An den ersten Versuch einer allgemeinen Definition solcher Stadtteile hat sich das PED Programme Management des JPI Urban Europe gewagt. Die Begriffsbestimmung des Programms spricht nicht nur von einem Algorithmus zur Berechnung des Energieinputs und -outputs, sondern setzt auch einen Rahmen, der drei zentrale Anforderungen klimapositiver Bezirke im Kontext ihres jeweiligen, je nach Stadt oder Kommune sehr unterschiedlichen städtischen und regionalen Energiesystems umreißt. Die erste Anforderung ist, dass PEDs nur auf erneuerbare Energien setzen sollten; das ist einer ihrer wichtigsten Beiträge zur Klimaneutralität. Zweitens sollten sie Energieeffizienz zu einer ihrer Prioritäten machen, um verfügbare erneuerbare Energien bestmöglich zu nutzen. Da städtische Gebiete zwangsläufig zu den größten Energieverbrauchern gehören, muss ein PED drittens auf für das eigene Energiesystem optimale Weise funktionieren (Energieflexibilität). 

Von europäischen Teilprojekten zu europaweiten Effekten 

Für ihren Beitrag zur Klimaneutralität hat sich die Europäische Union (EU) im Rahmen des Strategic Energy Technology Plan zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 einhundert energiepositive Quartiere in europäischen Ländern zu errichten. Dabei geht es sowohl um die Gestaltung neuer Quartiere als auch Neuerungen in bereits bestehenden Stadtbezirken. Anpacken wird dafür die öffentliche Hand gemeinsam mit der Industrie – unter reger Beteiligung der lokalen Zivilbevölkerung. Zwanzig Länder nehmen derzeit an der Initiative teil. 

Die Joint Programme Initiative Urban Europe (JPI-UE) hat daneben eine Broschüre mit den fortgeschrittensten europäischen PED-Projekten sowie Projekten, die PED-nahe Ziele haben, veröffentlicht.  

Quelle: JPI Urban Europe

Vorreiterländer in der PED-Umsetzung sind mit den meisten Projekten die skandinavischen. 2020 hat Finnland beispielsweise mit „Smart Energy Aland“ eine energieeffiziente, karbonfreie und klimaneutrale Nachbarschaft in der Region Aland umgesetzt. Die Inselgruppe profitiert dabei von ihren Wind- und Sonnenbedingungen, die die Installation effizienter Solaranlagen und eines Windparks in diesem Rahmen ermöglicht haben. 

Die aktuellen Bemühungen der europäischen Union zielen darauf, solche Projekte in die Breite zu bringen und Emissionen flächendeckend zu senken. Eine wichtige Rolle spielen hierbei verschiedene Technologien. Aber wo kommt die Datennutzung ins Spiel? 

Daten für effiziente Steuerung – auch in nachhaltigen Quartieren 

Daten haben eine grundlegende Funktion in klimapositiven Quartieren – denn ohne Datengenerierung, -verarbeitung und -austausch keine effiziente Energiesteuerung. Die Funktionalität von PEDs baut auf der Nutzung von datenbasierten Technologien wie künstlicher Intelligenz, Visualisierung von Prozessen, Geoinformationssystemen, Blockchain und weiteren auf. Urbane Daten kommen in verschiedenen Funktionen zur Anwendung. Dazu gehört… 

  • …die Verwaltung der Energiesysteme. Hochkomplexe und interaktive Energiesysteme, wie sie für PEDs gebraucht werden, können nicht manuell betrieben werden: Hier braucht es intelligente Unterstützung durch smarte Technologien, die unter anderem die verschiedenen Energieflüsse optimieren, lokale Bedarfe miteinander verbinden und ausbalancieren – von Heizsystemen bis hin zu E-Ladesäulen. 
  • …der Betrieb im Kontext des lokalen Energiemarktes. Im Rahmen zahlreicher PED-Projekte wird mit der Entwicklung lokaler Energiegemeinschaften oder Energieaustauschplattformen experimentiert, für die beispielsweise Blockchain-Technologien zur Anwendung kommen.   
  • …Bürgerbeteiligung. Über die Verarbeitung und Visualisierung von Daten können PED-Projekte greifbar für Bürger*innen gemacht und Anwohner*innen direkt miteinbezogen werden. Ergebnisse werden so gleichzeitig transparenter. Darüber hinaus können Gamification-Techniken eingesetzt werden, um die Verbraucher*innen zu mehr Energieeffizienz zu bewegen – beispielsweise, indem Ziele gesetzt und Anreize geschaffen werden. 
  • Digitale Zwillinge und visuelle 3D-Modelle. Über digitale Modelle können anhand von Daten Prozesse, Situationen und deren Folgen simuliert werden, um daraus Schlüsse und Maßnahmen zu ziehen. 

Interoperabilität und Integrationsfähigkeit der technologischen Infrastruktur sind von zentraler Bedeutung für all diese Funktionen in PEDs. Dort kommen zahlreiche Systeme zusammen: beispielsweise Kontrollsysteme verschiedener Anbietender in verschiedenen Gebäuden verschiedener Besitzer*innen sowie unterschiedlichen Energieunternehmen. Zudem sollen entwickelte Lösungen idealerweise auch in neuen Kontexten wieder funktionieren. Standardisierte Datennutzung für eine effektive Zusammenarbeit ist dafür wichtig und kann von den Städten bereits in Ausschreibungen festgelegt werden.  

Wenn von der technologischen Infrastruktur gesprochen wird, geht es hier natürlich wieder um die Urbane Datenplattform. In einem großen EU-Projekt für die Entwicklung von PEDs in mehreren europäischen Städten ist auch DKSR deswegen im kommenden Jahr dabei. 

Projekt ASCEND: Energiepositive Quartiere skalieren 

Das Projekt ASCEND („Accelerate PoSitive Clean ENergy Districts“) verfolgt zwei große Ziele: Städte gesünder und ressourceneffizienter zu machen – und dafür ein intelligentes und nachhaltiges System für positive Energiebezirke zu entwickeln, zu beschleunigen und zu skalieren. 39 Partnerorganisationen und -städte arbeiten dabei zusammen, um in den Leuchtturmstädten Lyon und München zwei klimapositive Quartiere zu errichten. Dafür werden sechs übertragbare Lösungspakete ausgearbeitet und umgesetzt, die wiederum auch in den anderen europäischen Konsortialstädten Alba Iulia, Budapest, Charleroi, Porto, Prag und Stockholm zum Einsatz kommen sollen. 

 

Aufbau des Projekts ASCEND, Quelle: ASCEND

DKSR spielt eine große Rolle in zwei der Lösungspakete: zum einen in der Entwicklung digitaler Infrastruktur sowie der Werkzeuge für flexible Energiesysteme, zum anderen in der Einrichtung von sogenannten Energiegemeinschaften, die Energie gemeinsam nutzen und Bedarf untereinander ausgleichen. Das Projektteam wird sich in diesem Rahmen die digitalen Säulen klimapositiver Distrikte ansehen und ein Modell für Städte schaffen, die eigene PEDs auf der Grundlage von offenen Standards, Interoperabilität und Datenhoheit umsetzen wollen. Darüber hinaus wird DKSR ein Referenzmodell für lokale Energiegemeinschaften schaffen und Modelle maschinellen Lernens für Energieeffizienz entwickeln. 

Die Urbane Datenplattform spielt auch im Gesamtprojekt eine wichtige Rolle, da sie zudem als Infrastruktur zur Beobachtung der Projekt-KPIs bzw. -Kennzahlen dient, die Echtzeitdaten aus und für alle Quartiere des Projekts verarbeitet und bereitstellt. 

Klimapositive Lösungen: Bald verfügbar für viele  

Der wahrscheinlich beste Teil am Projekt: Die Lösungen werden skalierbar für andere Städte und Kommunen entwickelt – und können übernommen werden. Um sie einfach zugreifbar zu machen, wird DKSR sie für Kernmitglieder der Urban Data Community über das Webportal DKSR.square und das Community-Github aufbereitet zur Verfügung stellen: Auf Square finden Sie das Projekt mit allen Informationen bereits! 

Sie haben Fragen zum Thema energiepositive Quartiere oder zum ASCEND-Projekt? Wenden Sie sich gerne an unsere Beraterin Laura Dieguez!